Februar 2021

Wie der Umbruch
zum Aufbruch wird.

Auf uns wartet der größte Umbruch der Arbeitswelt seit Ende des Zweiten Weltkrieges, schreibt aktuell das Handelsblatt. Im Krisenjahr 2020 fiel diese Reorganisation chaotisch aus. Doch wir haben die Chance daraus einen positiven Aufbruch zu machen.

Wie wird sich unsere Arbeitswelt in der Post-Corona-Ära entwickeln? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, befragte das Handelsblatt Anfang des Jahres mehrere Wissenschaftler. Einigkeit herrschte bei den befragten Experten nur in einem Punkt. Quasi über Nacht wurde Realität, was jahrzehntelang unmöglich erschien: Homeoffice und Konferenzen per Videocall sind das neue Normal.

Die Professorin an der Hochschule Fresenius in München und Beraterin bei rheform Workplaceinnovation, Jennifer Gunkel, ist sich sicher: „Dass es für jeden Einzelnen kein „back to normal“ geben wird.“ Die Arbeit wird „flexibel und ortsunabhängig“ sein. Künftig erledigen wir unsere Aufgaben entweder zu Hause, im Co-Working-Space, beim Walk-Around-Meeting im Park, – aber nicht mehr zwingend am festen Arbeitsplatz im Büro.
Wird das Büro zum Auslaufmodell?

Jennifer Gunkel verneint diese Frage: „…das reale Büro wird in Zukunft für jeden an Bedeutung gewinnen. Auch wenn diese Behauptung etwas paradox erscheint, bin ich der Überzeugung, dass es zu einem qualitativ hochwertigen Ort werden muss, der den Einzelkämpfern aus dem Homeoffice dort Kollaboration mit hochwertigem technischem Equipment und auch die Erfahrung eines echten Wirgefühls ermöglicht. Nur so kann eine neue Normalität gelingen.” Nick Kratzer vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München sieht das ähnlich. Seiner Meinung nach wird das betriebliche Büro nicht unwichtiger, sondern wichtiger, – aber mit einer ganz anderen Funktion: „Die Firma muss zum Ort des Austausches werden, der persönlichen Interaktion und der sozialen Einbettung. Ein Ort, an dem eine Firma eine Farbe, einen Geruch, eine Gestalt erhält.“

Die Forscher betonen, dass Büros als Ansammlung vieler individueller Arbeitsplätze an Bedeutung verlieren werden jedoch als Ort der Begegnung und des Austausches an Wert gewinnen. Diese Entwicklung ist bereits im vollen Gange.
Erste Unternehmen reduzieren
bereits ihre Büroflächen

Das Homeoffice hat so gut funktioniert, dass viele Manager davon ausgehen, das ein Viertel der Belegschaft dauerhaft von Zuhause aus arbeiten werden und nicht mehr ins betriebliche Büro zurückkehren werden. Folgerichtig man im Management bereits damit begonnen, angemietete Büroflächen zu reduzieren. Die verbleibenden Flächen werden umgebaut, damit flexible Arbeitsräume entstehen, die nicht mehr individuell an einzelne Mitarbeiter vergeben werden. Künftig wird man im Unternehmen wie im Hotel einchecken und einen Raum auf Zeit zugewiesen bekommen. So die aktuelle Planung in vielen Organisationen.

Aber damit am Ende die Firma “zum Ort des Austausches wird, der persönlichen Interaktion und der sozialen Einbettung“, wie es Nick Kratzer formulierte, reicht es nicht, ein paar Rigipswände hochzuziehen. Menschlicher Austausch und persönliche Interaktion finden auf allen Ebenen statt, – nicht ausschließlich auf der Sachebene. Wenn Menschen kommunizieren, werden dabei nicht nur entscheidungsrelevante Daten und Fakten ausgetauscht. Kommunikation entwickelt sich immer auch auf der Beziehungsebene. In der Vergangenheit, als alle noch räumlich dicht beieinander saßen, wurde dieser beziehungsrelevante Austausches selten bei offiziellen Sitzungen praktiziert. Beziehungen wurden eher bei den vielen informellen Treffen geknüpft: Beim Plausch in der Kaffeeküche, auf Zuruf über den Flur hinweg oder beim gemeinsamen Mittag.

Der Wegfall dieses kleinen Dienstweges wird schmerzlicher ausfallen, als heute vielen klar ist. Denn die so wichtige soziale Einbettung ins Unternehmen wird ohne regelmäßigen Austausch auf der Beziehungsebene zum Ding der Unmöglichkeit.
Das Sterben des Flurfunks

Wenn künftig ein Heer digitaler Nomaden beschäftigt werden, steht das Management vor einer gewaltigen Aufgabe. Es wird noch deutlicher den Mitarbeitern vermitteln müssen, wohin das Unternehmen steuert, was erreicht werden soll und warum alle im Unternehmen diese Ziele hartnäckig verfolgen sollten.

Der Gehirnforscher Gerald Hüther warnt schon lange: „Eine Gemeinschaft, die kein gemeinsames Anliegen verfolgt, bleibt ein zusammengewürfelter Haufen.“ Damit trotz der räumlichen Distanz das Gefühl von Zusammengehörigkeit entsteht, braucht es ein starkes gemeinsames Ziel, dass jeden Mitarbeiter antreibt.

Weitblickendes Management bedeutet jetzt den Dialog mit den Mitarbeitern neu zu denken: Was wird aus den gemeinsamen Geist im Unternehmen, dem Wirgefühl, wenn sich die Kommunikation innerhalb der Organisationen nur noch auf das hin und her schicken von Kennzahlen beschränkt? Was passiert, wenn der einzelne Mitarbeiter nicht einmal mehr durch einen festen Arbeitsplatz mit dem Unternehmen verbunden ist?

Um gute Antworten zu finden, braucht es zuerst gute Fragen. Erste Unternehmen haben diese Herausforderung erkannt. Sie bauen nicht nur Ihre Büros um, sondern auch Ihre Kommunikation mit den Mitarbeitern.



Peter Goldammer / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. / Impressum / Datenschutz / Cookie-Einstellungen