Alles hat den Wert, den wir ihm geben.

Dieser Satz ist die Quintessenz meiner ersten dreißig Jahre in der Kommunikationsindustrie: Das Mantra, das meine Arbeit leitet. Die Erkenntnis, dass der Wert einer Sache davon abhängt, welche Beziehung wir zu ihm haben.

Der Geldschein, den Sie oben sehen ist kein Photoshop-Trick. Es gibt ihn wirklich. Einer davon steckt in meiner Brieftasche. Nur für den Fall, dass ich auf einen Menschen treffe, der glaubt, alle Dinge besäßen einen festen, messbaren Wert. In solchen Fällen zücke ich meinen Null-Euro-Geldschein. Kann man damit im Supermarkt zahlen? Nein, er hat null Wert. Und trotzdem gibt es Leute wie mich, die zwischen vier bis neun Euro dafür zahlen. Warum?
Verrückt? Nein, menschlich.

Entscheidend ist nur der Wert, den Menschen in einer Sache sehen. Er wird durch die Geschichte geprägt, die sich um das Objekt rankt. Im Falle der Null-Euro-Noten ist es die Geschichte wertvoller Sammlerstücke, die vielleicht eines Tages im Wert steigen. Man weiß ja nie. Und wenn nicht? Dann hatte man eine gute Zeit, davon zu träumen und seine Schätze in spe zu hegen und zu pflegen.

Natürlich lassen sich die Ja-aber-Leute durch dieses Beispiel nicht beeindrucken.

Dann halte ich ihnen die Fotos ziemlich hässlicher Ramschartikeln unter die Nase.

Einer der Gegenstände, deren Wert zu 96 Prozent aus der Geschichte besteht

Es handelt sich um wahllos eingekauften Tinnef von Trödlern und Flohmärkten, mit dem die beiden US-Amerikaner Joshua Glenn und Rob Walke ein interessantes Experiment durchgeführt haben: Sie heuerten berühmte und weniger berühmte Autoren an, die sich für jedes der Objekte eine Geschichte ausdachten. Mit diesen Geschichten stellten sie die Sachen bei eBay ein. Der Startpreis entsprach dem ursprünglich bezahlten Preis.

Am Ende des Experiments hatten sie all den Plunder, den sie für insgesamt 128,74 Dollar gekauft hatten, für erstaunliche 3.612,51 Dollar verkauft. Eine Wertsteigerung von mehr als 2.700 Prozent. In Worten: zweitausensiebenhundert Prozent!

„Significant Objects“ von Rob Walker & Joshua Glenn

Die beiden Autoren kommentierten ihr Experiment mit den Worten: „Geschichten sind ein so starker Antrieb für den emotionalen Wert, dass ihre Wirkung auf den subjektiven Wert eines bestimmten Objekts objektiv gemessen werden kann.“

Aber auch davon lassen sich Ja-aber-Technokraten nicht umstimmen. Ihre Angebote sind so gut, sagen sie, da braucht es keine Geschichte, denn: „Qualität spricht für sich selbst.“ Die Wahrheit ist, dass Qualität gar nicht spricht. Schon gar nicht für sich selbst.
Qualität spricht nicht. Schon gar nicht für sich selbst.

Geschichten aber sprechen für das Produkt, Ihr Angebot, Ihre Leistungen. Vielleicht sprechen Sie über Qualität. Vielleicht sprechen Sie, wie bei der 0-Euro-Note, über die Herkunft der abgebildeten Motive oder über die Anzahl der Arbeitsschritte, die notwendig sind, einen fälschungssicheren Geldschein zu produzieren. Oder Sie sprechen über die Besonderheiten der Druckerei, in der diese Geldnoten angefertigt werden. Qualität ist nicht nur ein einzelnes Wort, auch Qualität ist eine Erzählung. Kurz oder lang. Erzählt oder bebildert.

Gibt es keine Geschichte, verschwindet das Angebot aus dem Denken und Fühlen der Kunden.

Menschen wollen wissen, wo die Dinge herkommen, wie sie hergestellt wurden, wer sie gemacht hat und wie lange sie halten. Heute mehr denn je. Sie suchen echte Beziehungen zu den Dingen, die sie in ihr Leben holen. Wie bei dem Keramikherz oben, das einst für lumpige zwei Dollar verscherbelt wurde. Wieso war es jemandem auf einmal 50 Dollar wert?

Vielleicht blickte jemand nach einem langen Tag in das kalte Licht seines Computers, surfte auf eBay herum, um zu entspannen. Las die Beschreibung des Herzens, hielt inne – zum ersten Mal an jenem Tag huschte ein Lächeln über das müde Gesicht – und eine freundliche Stimme sagte: Have a lovely day!



Peter Goldammer / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. / Impressum / Datenschutz / Cookie-Einstellungen